Gedanken eines Menschen in
seinem Unfallwrack... Vielleicht denken Sie einmal daran,
wenn Sie zu einem Unfall kommen und wissen dann, dass ein
kleiner, sprichwörtlicher Handgriff bereits eine große Hilfe
sein kann. Dem Szenario geht ein
Verkehrsunfall voraus.. gesehen im
Internet bei:
http://www.feuerwehr-gronau.de
Allein. Mir ist kalt. Gänsehaut breitet sich aus. Ich liege
höchst unbequem an Kopf und Nacken. Der rechte Oberschenkel
ist zwischen meinem Sitz und dem Lenkrad eingeklemmt. Es ist
eng, nass und der Regen prasselt neben meinem Gesicht auf
die Straße. Der Wind raschelt irgendwo in der Finsternis im
Laub von Bäumen und treibt den Geruch von heißem
Kühlerwasser und verbranntem Gummi vor sich her. Der rechte
Fuß schmerzt auch immer mehr, ich fühle ihn unter dem
Bremspedal festgekeilt. Jeder Versuch, ihn in eine andere
Lage zu bringen, endet mit einem hässlichen Schmerz.
Allein - Gerade noch spielte das Autoradio angenehme Musik,
der Motor brummte zufrieden vor sich hin und die Heizung
sorgte für ein wohlig warmes Klima. Jetzt ist es
stockfinster, eiskalt und alles vom Regen durchnässt. Von
weit her nähert sich endlich ein Lichtbündel durch den Regen.
Hoffentlich biegt er nicht vorher ab, hoffentlich knallt er
nicht noch gegen mein Wrack. Er blendet ab und wieder auf.
Das Licht bricht sich in Tausenden von Glassplittern. Er
fährt dicht heran. Geblendet schließe ich die Augen,
versuche irgendetwas zu rufen. Doch mehr als ein lautes
Zähneklappern bringe ich nicht zustande. "Da bewegt sich
noch einer drin! Das ist sicher gerade erst passiert!".
Beratung. "Können Sie beim Fenster rausklettern? Die Tür ist
verkeilt". "Nein, ich klemme fest!", kommt es aus mir.
Beratung. "Wir holen die Polizei - das ist das Beste!".
Autotüren schlagen zu und rasend schnell entfernt sich der
Wagen wieder.
Allein - Im Motorraum knistert es leise. Irgendeine
Flüssigkeit tropft auf etwas Heißes und verdampft.
Hoffentlich brennt nichts. In panischer Angst blicke ich um
mich, aber ich kann keinen Feuerschein ausmachen.
Immer noch ist es eiskalt. Ab und zu schüttelt es mich
kräftig durch und dann spüre ich wieder schmerzhaft meine
steifen Glieder. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich
in dicken Wolldecken vor einem großen, offenen Kamin sitzen
und vergesse dann für Momente diese beißende Kälte. War hier
gerade jemand gewesen, oder habe ich geträumt? Jedenfalls
habe ich das Gefühl, schon seit Wochen hier zu liegen.
Wieder kommt ein Auto. Nein, keine Polizei. Warnblinker,
Licht. Das Licht fühlt sich im Gesicht warm an. Die Haare
richten sich zur Gänsehaut auf. "Hallo?" "Ja, mir ist kalt",
kommt es matt über meine Lippen. "Ich schau mal." Schritte
entfernen sich. Ich kann nur die Beine sehen. Räder,
Warnblinker und das Licht. Es kommt wieder, schiebt mir ein
Kissen unter den Kopf. "Eine Decke oder so etwas habe ich
leider nicht dabei!" Ich bedanke mich und er geht wieder weg.
Leute steigen aus einem Wagen und betrachten mein Autowrack
aus respektvoller Entfernung. Stimmengemurmel. Dann wandert
ein Warndreieck durch mein Gesichtsfeld. Ganz leise höre ich
Folgetonhörner. Motorengeräusche nähern sich. Blaulicht.
Herzklopfen.
Licht kommt auf mich zu.
Ein grelles Folgetonhorn peitscht meine Nerven auf. Ich
drehe den Kopf und versuche vergeblich, den scharfen Tönen
auszuweichen. Endlich erlöscht der Ton. Ich entspanne mich
wieder. Motoren laufen, Türen schlagen. Blaues Licht zuckt
umher und die tausend Glassplitter tanzen im Takt mit.
Ein Gesicht taucht auf: "Wie ist das passiert? Sind Sie
alleine?"
Jetzt nicht mehr, möchte ich antworten. "Sind Sie
eingeklemmt?" Ein anderes Gesicht kommt nahe zu mir: "Können
Sie Ihre Beine fühlen?" "Ja, aber es tut schrecklich weh!"
Er fasst nach meinem Puls, streicht mir dann den Dreck aus
meinem Gesicht. "Wie heißen Sie?" Mir fällt mein eigener
Name nicht ein! "Na, das ist nicht das Wichtigste - erst
holen wir Sie da mal raus und bringen Sie ins Warme. Sie
müssen aber noch einmal tapfer sein!"
Er macht mir Mut. Ich spüre seine warme Hand und weiß nun,
dass dies alles ein Ende finden wird. Noch mehr Licht kommt
hinzu. Ich höre Kommandostimmen. Motoren werden angelassen.
Mein Herz klopft bis zum Halse. Die Hand bleibt bei mir. Mal
ist sie an meinem Handgelenk, mal wischt sie über mein
Gesicht. Ich schließe die Augen und im Traum wird die Hand
riesengroß. Gerade so wie ein Kamin...
Blech knirscht. Schmerz. Entspannung. Ich werde getragen,
dann gefahren. Ich kann die Augen nicht mehr öffnen, sehe
nicht, wo ich bin. Aber sicher ist alles o.k., denn die
warme Hand ist dabei. Wohin die Fahrt geht, weiß ich nicht.
Jedenfalls immer der Hand nach...
Wer nie selbst in einer ähnlichen Lage war, kann sich nur
schwer in die Lage eines Unfallopfers versetzen. Können Sie
es? Und können Sie es sich vorstellen, wie Sie sich fühlen
würden? Sind wir uns doch ehrlich: Haben wir nicht schon
danebengestanden und während der Rettungsaktion kein Wort
mit dem Unfallopfer geredet? Haben wir beim Herausschneiden
eines Eingeklemmten vielleicht auch lieber gleich an den
Aggregaten gearbeitet und haben Spreizer und Schere lieber
den Kameraden überlassen?
Wenn Sie diese Fragen todsicher verneinen können, dann
blättern Sie schnell weiter. Dann ist auch das Wort
Psychologie für Sie nur ein Modewort, das man gebraucht, wie
Toilettenpapier. Sollte Ihnen aber die Kurzgeschichte etwas
gesagt haben, so darf ich Sie in der Runde derer begrüßen,
die sich Gedanken um ihre Opfer machen und nicht nur der
Held in Uniform sein wollen.
Wir sind sicher, dass diese Worte hart sind und sich der
eine oder andere getroffen sieht. Wenn das erreicht worden
sein sollte, sind wir schon zufrieden. Ich selbst war auch
einmal einer, dem beim Ausfahren der Puls durchging und dann
dem Unfallopfer gegenüber mit einem dicken Frosch im Hals
kämpfte. Und irgendwann, als dann der Reiz des Neuen langsam
der Routine wich, habe ich spüren können, wie dankbar die
Unfallopfer über jedes Wort sind, dass man mit ihnen
wechselt. Hie und da ein steuerndes Wörtchen eingestreut,
eine Berührung oder auch nur ein gezielter Blickkontakt und
er wird über Sie Wunderdinge erzählen und wie gut Sie ihm
die Angst genommen haben.
Tipp: Als kleine Hilfe möchte ich Ihnen einen Tipp mit auf
den nächsten Einsatz geben: Fällt es Ihnen schwer, ein
Unfallopfer anzusprechen, so stellen Sie sich vor, es wäre
jemand, den Sie sehr gut und lange kennen. Als wäre das
Opfer ihr Freund...