„Piieepp, piieepp, piieepp“, da war es wieder, dieses Geräusch das
mein
Piepser von sich gab, wenn es mal wieder Zeit war für einen Einsatz. Es
war vier
Uhr Früh und ich hatte seit dem letzten Einsatz nur ca. eine halbe
Stunde
geschlafen. Und nun wurden wir wieder zu einem Einsatz gerufen. Das hieß
also ab
ins Auto und ein paar Minuten später waren wir auch schon auf dem Weg
Richtung
Einsatzort. Uns wurde auch gleich per Funk durchgegeben, worum es sich
handelte.
„2-19 einsatzmäßig Richtung Olympiabrücke – Mensch in Notlage.“ Mensch
in
Notlage war ein Satz den ich wirklich hasste, denn er sagt absolut
nichts
darüber aus, um was für einen Einsatz es sich handelt. Das konnte nun
wirklich
alles sein. Als wir den Einsatzort erreichten, war die Feuerwehr und
Polizei
schon vor Ort.
„Wir versuchen gerade die Tür aufzubrechen, aber die scheint ziemlich
massiv zu
sein“, erklärte uns einer der Feuerwehrmänner. Mein Fahrer drehte sich
zu mir um
und meinte: “Nimm mal den Defi und den Notfallkoffer mit. Ich fordere
einstweilen den Notarzt und den Einsatzleiter an.“ Vollbepackt kam ich
wenige
Minuten später zur Tür, die immer noch ungeöffnet war, und stellte alles
ab.
„Wer hat uns denn eigentlich angefordert?“, fragte mein Fahrer einen der
Feuerwehrmänner, die immer noch hart am arbeiten waren. „Die junge Frau
dort
drüben, die gerade mit dem Polizisten spricht!“, er deutete in die
entsprechende
Richtung.
Kurze Zeit darauf traf der Einsatzleiter ein und gab der Feuerwehr die
Anweisung
durch ein Fenster einzusteigen, wenn die Tür ein solches Problem
darstellte.
Also stiegen drei Feuerwehrmänner über eines der Fenster ein und an dem
erschreckten: „Oh mein Gott“, war mir sofort klar, daß sich dort drinnen
tatsächlich ein Mensch in Notlage befand. Die Feuerwehrmänner öffneten
uns von
innen die Türe und da bot sich uns ein nicht gerade angenehmes Bild. Auf
der
Couch lag ein junger Mann, weiß wie die Wand, der offensichtlich einen
Selbstmordversuch hinter sich hatte. Er hatte versucht sich die
Pulsadern und
die Halsschlagader auszuschneiden und er hatte auch ganz gut getroffen,
denn der
blutete stark. Mein Fahrer und ich stürzten zu ihm und begannen mit der
Erstversorgung. Wir legten Verbände an, sprachen mit ihm und erklärten
ihm alle
Maßnahmen, wobei von ihm eigentlich keine Reaktion mehr kam. Kurze Zeit
darauf
draf der Notarzt ein und setze die weitere Versorgung fort. Soweit
hatten wir
ihn dann auch stabil und wollten ihn von der Couch auf die Trage
umlagern, womit
er aber ganz und gar nicht einverstanden war und sich wie wild zu wehren
wusste.
Mit seiner Faust draf er mein linkes Auge, was mir noch Tage danach
ziemlich weh
tat. Schließlich hatten wir ihn aber doch so weit beruhigt, dass wir ihn
ohne
Probleme ins Krankenhaus mitnehmen konnte, wo er dann weiter versorgt
wurde.
Nach diesem Einsatz folgten in dieser Nacht keine weiteren mehr und
eigentlich
wäre ich müde gewesen und hätte noch ein wenig schlafen können, bevor
der
Universitätsalltag wieder anfing, aber ich konnte nicht. Sobald ich
meine Augen
schloss kam dieses Bild zum Vorschein, dieser junge Mann, der auf der
Couch lag,
das Blut von seinen Armen fließend ...
Ich muss auch heute, und seither ist doch einige Zeit vergangen, immer
wieder an
diesen Einsatz denken. Es blieb leider nicht mein einziger Einsatz bei
dem sich
ein Mensch das Leben nehmen wollte. Aber seit diesem Einsatz frage ich
mich
allerdings immer wieder: “Wer hilft eigentlich uns Helfern?“ Die
Bevölkerung
verlässt sich darauf, dass Feuerwehr und Rettung immer einsatzbereit
sind, dass
wir da sind, wenn sie uns brauchen. Und das sind wir, ob es draußen
stürmt und
scheint, wir sind da, und das rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr. Aber
wir
Helfer haben auch Gefühle. Auch wenn wir am Einsatzort erst mal so
schnell wie
möglich unserer „Arbeit“ machen, so gehen die wenisgten Einsätze spurlos
an uns
vorüber. Wer hilft nun uns Helfern, solche Einsätze, wie ich ihn erlebt
habe, zu
verarbeiten?
Wer ist für uns Helfer da, wenn wir einmal HILFE brauchen?
Einige Gedanken von Kora
Weinknecht
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